Cuisine malgache

Die madegassische Küche ist sehr vielfältig. Es gibt Reis, Reis und außerdem Reis, meistens mit Soupy. Soupy ist, wenn ich es richtig verstanden habe, heißes Wasser. Nein, ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, sagen wir, es ist lauwarm. Man bekommt es in einer Schale neben dem Reis, der darin gekocht wurde, es enthält vielleicht einen Rest Stärke und manchmal, gewagter Weise, einen Ring Lauch oder einen kleinen dünnen Strang Frühlingszwiebel. Vielleicht ist es auch ein Grashalm.

Man kann die Soupy über den Reis gießen, dann heißt er anders als wenn man die Soupy neben dem Reis her trinkt, daher sind das auf der Speisekarte schon zwei völlig verschiedene Gerichte.

Der große Unterschied zwischen Indien und Madagaskar besteht darin, dass die Inder Gemüse haben, dass ihnen aber ständig weggammelt in dem heißen, feuchten Klima, und das sie deshalb schlau mit sehr viel scharfem Chilipulver würzen, damit man den Gammel nicht schmeckt. Die Madegassen hingegen haben ein eigentlich für alles ideales Klima, bauen alles an (und alles wächst), besitzen daher viel frisches Obst und Gemüse, essen es aber nicht, sondern verkaufen es nur an Fremde. Oder Ultrareiche. Vom Verdienst kaufen die Bauern noch mehr – erraten! Reis.

Daher haben in der fruchtbarsten Region des Landes, um Antsirabé herum, wo wir leben, die Menschen Studien zu Folge die meisten Vitaminmangelerscheinungen.

Ich kann das, als man es mir erklärt, nicht ganz glauben, denn es gibt so viel kleine Gemüse- und Obststände, dass die Weißen und die Ultrareichen nicht ausreichen, um all den Kram zu kaufen, die Madegassen müssen es also irgendwie doch selbst verwerten. Lösung eins des Rätsels ist: die Präsidentschaftskandidaten kaufen das Gemüse und Obst auf und färben damit die T-Shirts, die sie zu Reklamezwecken vor der Wahl verschenken. Im Moment führt der Präsident, der die Karotten aufgekauft hat, kurz gefolgt von dem mit den Gurken.

Lösung zwei könnte darin bestehen, dass die Madegassen das Gemüse doch selbst kaufen, und zwar konstant sich gegenseitig, aber danach etwas Elaboriertes damit tun, um die störenden Vitamine rasch wieder loszuwerden. Ich interessiere mich für fremde Bräuche und such nach eigenen Methoden, Essen zu variieren. Dafür gibt es noch einen Grund: Was die Köchin nicht einkauft, muss ich einkaufen, und ich hasse einkaufen hier, denn für jede Packung Kekse, die ich kaufe, muss ich meinem Gewissen zu Folge eine an die Bettelkinder abgeben, die durchaus zahlreich sind.

Wenn ich also all zu häufig einkaufe, bekommen die armen Kinder eine Keksvergiftung, oder, noch schlimmer, da ich sie ja lieber mit Obst füttere, eine GEFÄHRLICHE Vitaminvergiftung. Also kaufen wir nur einmal die Woche ein, und dauernd fehlt irgendetwas.

Kein Problem, wir machen es selbst. Wir sind ja öko!

Die Kinder (unsere) verdrehen die Augen.

Ich hingegen stürze mich in die Küchenarbeit und kann jetzt immerhin Ketchup, Kartoffelpuffer und Zitronenlimonade selbst machen, keine Ahnung, warum gerade diese drei Dinge. Die Saftherstellung ist so eine Sache, Mangosaft zum Beispiel kommt schlecht an, da man noch Tage später Fussel zwischen den Zähnen hat (ich weiß jetzt von unserer Köchin, wie sie die Vitamine entfernen. Sie kochen ihn.) Bei den meisten älteren Einheimischen wäre das kein Problem. Die haben keine Zähne. Wir leider schon noch … sehr lästig, man spart sonst ja auch die Zahnpasta, aber wie gesagt, wir sind noch nicht KOMPLETT assimiliert. Selbstgepressten Bananensaft kann man nur mit ausreichend Rum genießen, und bei Nudelteig bin ich noch nicht angekommen.

Plötzliche europäische Feste stellen die Küche vor neue Herausforderungen, wie zum Beispiel macht man an St. Martin Martinswecken, wenn die Eier aus sind (was meistens so ist)? Die Hefe, die es in der Tüte gibt, heißt zwar so, tut aber nichts (sie will nur spielen). Also gibt es kleine harte Männer mit Augen aus – ach so, nee, Rosinen haben sie auch nicht, nehmen wir Müsli.

Eines Tages kommen wir nach Hause und stellen fest, dass gar nichts da ist, weder Strom, noch Milch, noch Eier noch Schokoladenaufstrich fürs Frühstücksbrot noch Frühstücksbrot für den Schokoladenaufstrich. Nur noch kleine, harte, bittere Kakaotabletten, die zum Kochen oder Backen (oder Werfen) gedacht sind. Ich mische also Milch aus Kaffeeweißer an, überliste den Gasbackofen (man muss mit den kurzen Streichhölzern aus Wachs, die manchmal funktionieren, eine Kerze anzünden, dann an der Kerze ein langes Holzstreichholz entzünden, die gehen selbst nämlich nicht an, dann mit dem langen Streichholz das Gas im Ofen unten anzünden, wobei man in den Ofen kriechen und das Streichholz gezielt werfen sollte, sonst brennt die Küche ab), backe die halbe Nacht Hefebrötchen und rühre aus Butter, Zucker und dem Kakaozeug einen Schokoaufstrich zusammen, den ich am Morgen stolz den Kindern präsentiere.

Die kleine No kratzt als einzige begeistert mit dem Löffel in dem großen Glas herum, immerhin reicht das Zeug nun für Wochen, ist aber leider steinhart geworden – und wirft es dann versehentlich auf den Boden, so dass die Scherben nach allen Seiten spritzen und wir den Rest wegwerfen müssen. Irgendwie glaube ich, sie heimlich grinsen zu sehen. So entsorgt man seltsames Essen … Als Pausenbrot gibt es jetzt Hefebrötchen von Mama, sage ich, Basta, was anderes haben wir nicht, und Ihr müsst sowieso lernen, nicht immer nur Fertigessen mit Backtriebmittel und Geschmacksstoffen zu mögen und …

Lintje legt tröstend die Arme um mich. „Natürlich essen wir die Brötchen!“, sagt sie. „Weißt du, Mama, man muss das. Die Leute im Gefängnis früher haben auch ihre Schuhe gegessen.“

So viel zu meinen ökologischen Kochkünsten.