Sonst machen Sie nichts?

Eigentlich wollte ich einen Blog über die verschiedenen Programme der Verlage schreiben, die zur Zeit alle bei uns ins Haus flattern. Über Trends und Hochglanz und Amerika. Und darüber, wie ich meine nächsten Jugendbücher nennen werde: „Warum ich keine Trilogien schreibe Teil 1“, „ -Teil 2“ und „ -Teil 3“.
Aber das geht dann wieder nicht auf der Oetinger Homepage, und ich denke gerade darüber nach, über was ich stattdessen schreiben könnte, als das Telefon klingelt. Es ist unser Anrufbeantworter, der uns ab und zu anruft, wenn ihm langweilig ist. Manchmal unterbricht er ein Gespräch, in dem er in der Leitung anklopft, um mir mitzuteilen, er hätte auf sich selbst gesprochen.
Diesmal hat er Nachrichten von einem größeren deutschen Fernsehsender bzw. dessen lokaler Redaktion. Ich sollte zurückrufen, bitte bald, erreichbar wäre die Dame „von Montag bis Dienstag, 9 bis 10.15 und Mittwochs 16.30 bis 16.35.“ Ich beschließe, nur Donnerstags zwischen 21 Uhr 05 und 21 Uhr 07 erreichbar zu sein und warte, bis die Dame selbst noch mal anruft. Was sie tut.
„Es geht um eine Sendung“, erklärt sie mir. „in der das Leben von Leuten aus der Region portraitiert wird. Können wir bei Ihnen zu Hause filmen?“
„Na, von mir aus …“, sage ich.
Fernsehfrau: Sie schreiben doch Bücher. Machen Sie das hauptberuflich?“
Ich: Ja.
FF: Hm. Haben Sie sonst keinen Beruf?
Ich: Ich war mal Lehrer und bin theoretisch Arzt. Aber das übe ich nicht aus.
FF: Hm. Schade. Wir können sie ja nicht eine halbe Stunde lang beim Schreiben filmen… machen Sie sonst nichts?
Ich: Dann schreibe ich noch die Stücke für die Montessorischule Greifswald und führe dort zusammen mit einer Freundin Regie. Da könnten Sie ja was filmen.
FF: Hm. Wann ist denn das nächste Stück?
Ich: Wir spielen jedes Jahr am Schuljahresende.
FF: Wann ist denn das nächste Stück?
Ich: Na, diesen Sommer, im …
FF: Das ist zu früh.
Ich: Ach so. Dann filmen sie doch das Stück im kommenden Schuljahr.
FF: Wann ist denn das?
Ich: Na, nächsten Sommer.
FF: Das ist zu spät.
Ich: Es gibt auch von allen Stücken Videomitschnitte. Die könnten sie in ihre Sendung reinschneiden.
FF: Das geht nicht. Wir müssen das selbst filmen.
Ich: Ich habe gerade ein großes Projekt mit einem Gymnasium gemacht, die haben richtig im Stadttheater gespielt, da habe ich das Stück geschrieben. Das haben Sie sicher nicht gesehen ..
FF: Ich kann ja nicht überall hingehen.
Ich: Die spielen auch nochmal, da könnten Sie …
FF: Nein, das ist auch zu früh. Machen Sie sonst nichts?
Ich: Ich lese, überall in Deutschland und auch anderswo. Sie könnten ja zu einer Lesung in der näheren Umgebung kommen und die filmen. Das ist auch mehr wie Schauspiel. Demnächst lese ich in Karlsburg, dann auf zweimal auf Usedom, dann …
FF: Es müsste schon in der Greifswalder Innenstadt sein. Ich habe kein Auto.
Ich (mich fragend, wie sie dann bei mir zu Hause filmen will – bringt sie die Ausrüstung auf dem Fahrrad mit?): Ich hätte da was in der Unibuchhandlung in Greifswald Ende Mai …
FF: Da bin ich im Urlaub.
Ich: Könnten Sie nicht zu einer der Lesungen in der Umgebung mit dem Zug fahren?
FF: Nein. Wer bezahlt dann die Fahrkarte?
Ich: Und … wenn Sie ein Interview mit mir machen, hier bei uns, auf einem Spaziergang … hier ist es ganz schön … und ich erzähle Ihnen was von meinem Beruf …
FF: Das interessiert doch keinen. Sagen Sie, was hat Sie eigentlich (angeekelt) in DIE Gegend da draußen verschlagen? Haben sie (mitleidig) das Haus geerbt?
Ich: Nein. Eigentlich finden wir es ganz schön hier.
FF: Also das ist ja alles etwas ungünstig. Machen Sie sonst nichts?
Ich: Ich spiele auch noch selbst Theater. Das Stück habe ich aber nicht geschrieben.
FF (sehr enttäuscht): Ach. Dann geht das ja nicht. Und sonst machen Sie gar nichts?
Ich: Ich mache Förderunterricht mit einem Nachbarskind …
FF (ungeduldig): Sonst nichts?
Ich (verzweifelt): Ich bin nebenberuflich Mama …
FF: Hören Sie, wir hatten uns eigentlich gedacht, wir begleiten irgendein Projekt im Entstehen bis zu einem … einem Höhepunkt.
Ich: Sex?
FF: Wie?
Ich: Ach nichts.
FF: Also, wenn ein neues Buch rauskommt, gibt es da eine Premierefeier?
Ich: Nee. Da müssten wir ja andauernd feiern. Ich kann ihnen das Entstehen eines Buches gerne erklären, wenn wir uns in Greifswald zu einem Kaffee treffen –
FF: Ich habe wirklich wenig Zeit. Ich arbeite nämlich nur halbtags. Nachmittags kann ich nicht arbeiten, da habe ich ja frei.
Ich: Ach so.
FF: Sie sind sich sicher, dass Sie sonst nichts machen? Außer den Büchern und den Lesungen und dem Theater und dem Kind?
Ich (erschöpft): Manchmal telefoniere ich mit Frauen von größeren Fernsehsendern.
FF: Oh! Das ist ja interessant! Diese Damen sind doch sicher schillernde Persönlichkeiten mit unterhaltsamen Lebensgeschichten! Darüber könnten wir doch was machen! So was mit Fernsehen kommt doch immer gut an!
Ich: Keine Ahnung. Ich habe keinen Fernseher.
FF: Ach nein?
Ich: Ich habe auch kein Telefon.
FF (betroffen): Oh. Dann bin ich falsch verbunden …