Netz hat man auf Madagaskar nur als Fischer

Kommunizieren mit Madagaskar ist ganz einfach. Natürlich, es gibt kein Festnetz, aber wir nehmen ja die Handys mit: Papas Handy und Alvas Handy, beide ganz neu, und alle richten brav Telegramm ein, obwohl das vielleicht vom russischen Geheimdienst gesponsort wird.

Außerdem haben wir zwei internetfähige Computer.

Wir können also den ganzen Tag Bilder hin und her schicken und mit sämtlichen Großeltern kommunizieren.

„Ich melde nur mal schnell das Internet an bei der madegassischen Telekom“, sagt also Papa und verschwindet in einem adretten, reklamefarbenen Bungalow. Dort muss er erst einmal angeben, wo sich die von uns bewohnte Villa Henry befindet, immerhin hatten unsere Vormieter Internet, die Kabel müssen also noch im Boden liegen.

Da man in Madagaskar keine Adressen hat (wir wohnen „in der Nähe vom Bahnhof“), nützt die im Mietvertrag angegebene Adresse nichts, denn die Straßen kennt ja keiner. Die Telekomdame guckt daher auf Google Earth nach, und anhand der Wäsche des Nachbarn identifizieren wir die Villa. Ja, also, wenn das die ist, muss man da doch noch mal graben, sagt die Telekomdame. Da lag zwar vor einem Monat noch Internet, aber ganz sicher kann man nie sein, dass es noch da ist. Offenbar glaubt sie, die Vormieter hätten das Kabel mitgenommen.

Das Graben kostet dreihundert Euro (das dreifache Jahresgehalt eines Madegassen – rechnen sie mit einer dreijährigen Grabungszeit?), und um das Netz dann zu nutzen, brauchen wir eine Meldebescheinigung.

Tja, das ist ein Problem, für unser Visum brauchten wir nämlich auch eine Meldebescheinigung, und zwar von einem erwiesener Maßen in Madaskar befindlichen madegeassischen Vermieter. Was nicht geht, weil unser Vermieter ein Schweizer ist. Damit wir trotzdem ein Visum bekommen (es ist schwer genug, die Papiere vom Außenministerium, Innenministerium, Bildungsministerium, der Uni und dem Bürgermeister zusammenzubekommen), hat uns der Professor, mit dem Papa zusammenarbeitet, einfach eine selbstgebastelt. Er ist ja Madegasse, wir wohnen jetzt theoretisch in seinem Briefkasten in der Hauptstadt.

Also können wir gar kein Internet in Antisrabe beantragen.

Nicht so schlimm, Kinder! Papa geht nochmal los und kauft ein mobiles Internet.

Das mobile Internet ist ein kleines flaches Gerät und heißt jetzt Christiane.

(Es ist übrigens von der Firma Orange, die in der Hauptstadt den Tour Orange besitzt, das höchste Gebäude Madagaskars, aber la Tour Orange ist kein orangfarbener, sondern ein grauer Turm, na ja, das hat im frankophonen Raum ja Tradition, schließlich befindet sich der Tour Eiffel auch nicht in der Eifel.)

Wenn man Christiane neben den Laptop legt, macht sie Internet.

Glauben wir zumindest. Bis wir es ausprobieren. Da macht Christiane nur eines, rumliegen, obwohl man sieht, dass man eingeloggt ist und das Geld durchläuft.

Mist, telefonieren wir also mit dem normalen Handy, nicht übers Netz. Wir rufen zu Hause an und sagen kurz einmal Guten Tag (nein, wir sagen es dreimal, denn bei den ersten beiden Malen versteht man nichts durch die Leitung) – das Guthaben ist aus. Man muss jetzt zu einem der kleinen Buden am Straßenrand und eine neue Carte Orange kaufen. Die gibt es immer nur für maximal 25 Cent. Und man darf nicht alle Karten einer Bude aufkaufen, dann ist ja nichts mehr für die anderen Käufer da. Also laden wir das Handy täglich sieben Mal auf … Das muss doch einfacher gehen!

Papa geht mit Handy und Christiane zum Orange Shop, und sie finden schalten irgendwo ein Geheimdings frei, jetzt funktioniert Christiane. Leider funktioniert jetzt das Handy nicht mehr. Er geht also nochmal hin, sie reparieren das Handy, und wir versuchen, meine Mutter anzurufen.

Die ruft aber gerade Alva an. Und Alvas Handy geht nicht. Es glaubt, es wäre noch in Deutschland. Papa geht mit Alvas Handy wieder zum Orange Shop, es macht dort eine kurze Psychotherapie und weiß jetzt, dass es in Madagaskar ist …

Und Alva versucht, meiner Mutter eine Nachricht über Telegramm schreiben. Leider funktioniert es nicht, Telegramm kennt die Nummer meiner Mutter nicht.

Vielleicht besser e-mail …? Damit wir nicht dauernd Christianes Guthaben verbrauchen, richtet Papa „nur ganz schnell mal“ auf meinem Laptop Thunderbird ein, das ist ein blauer Vogel, der die Nachrichten abholen soll, damit man offline arbeiten kann. Der Vogel ist leider ein bisschen faul oder muss auch zum Therapeuten, denn immer, wenn Papa nach stundenlangem Arbeiten sagt: „JETZT geht es!“ und ich es ausprobiere, geht es leider gerade nicht. Vielleicht hat der Vogel auch kein Visum für Madagaskar bekommen, weil ihm die Meldebescheinigung fehlte …

Ich versuche, meiner Mutter ohne blauen Vogel ganz normal online eine Nachricht zu schreiben. Leider funktioniert das Internet gerade nicht, denn jetzt ist der Strom ausgefallen.

Als er wiederkommt, hat sich das Internetprogramm aufgehängt. Das ist normal, sagt man uns, es ist ein kleiner Wackelkontakt. Wobei, mehr Wackel- als Kontakt. Mit dem Handy sei es weniger wacklig als mit dem Laptop.

Wir versuchen es nochmal über Telegramm. Mein Vater hat es jetzt bei meiner Mutter im Handy neu eingerichtet. Dabei hat sich aber entweder ihre Telefonnummer geändert oder unsere Telefonnummer geändert oder der russische Geheimdienst hat beide gelöscht.

Vielleicht ist auch das Telefonieren immer so teuer, weil alle beteiligten Geräte glauben, sie befänden sich in Moskau.

Dann der Durchbruch: Auf einmal geht Telegramm bei zwei Beteiligten! Nun kann Papa mit Alva telefonieren. Eigentlich könnten sie auch normal miteinander reden, immerhin sind sie im selben Haus.

Ich glaube, ehrlich gesagt, unsere Vormieter haben nicht nur das Internetkabel mitgenommen, sie haben das ganze Internet mitgenommen. Auch das tragbare.

Und es suchen eine ganze Menge Leute in Antsirabé danach, die großen, tiefen Löcher in der Straße sind gar nicht die kaputte Kanalisation, es sind Internetgrabungsstellen.

Wenn Sie meine Mutter sehen, sagen Sie ihr doch, dass es uns gut geht. Wir schreiben jetzt Briefe. Schade eigentlich, dass es keine Post gibt in Antsirabé.