Bitte Blumen!

Vor längerer Zeit las ich in der Nähe, sozusagen privat, als Überraschung für ein bestimmtes Kind. Das Kind war pflichtschuldigst überrascht. Ich auch. Denn man überreichte mir eine prunkvoll umschleifte Kiste, in der im Polster-Stroh zwei pink lackierte Ton-Liegestühle standen, begleitet von einer Seestern-förmigen Duftlampe.
“Oh, wie schön!”, rief ich. “Was für ein Pech, dass ich mit dem Fahrrad da bin! Da kann ich diese wundervollen Dinge alle gar nicht mitnehmen!” “Macht nichts”, sagte der Vater, der die Lesung organisiert hatte, “ich fahre eben mit dem Auto zu Ihnen nach Hause und bringe die Kiste vorbei.” “Kein Problem”, sagte meine Mitbewohnerin. “Wir schenken die Dinger einfach meiner Großmutter. Die liebt solche Dinge.”
Ich packte ich Liegestühle, Männchen und Seestern in ein Paket und fuhr zur nächsten Lesung. In der Bibliothek schenkte man mir einen großen Blumenstrauß, und wieder einmal wusste ich nicht, wohin damit. Es regnete, und das Hotelzimmer war weit weg, sowohl zeitlich als auch örtlich. Schlechte Karten für den Strauß. “Kein Problem”, sagte ich zu der netten Dame, die mich begleitete, “die zweite Bibliothek freut sich sicher über ein so einen schönen Strauß.”
Leider stand in der zweiten Bibliothek ein identischer Strauß neben dem Computer. Vielleicht war es ein Sonderangebot in der Gegend gewesen. “Der Strauß ist für Sie”, sagte die Bibliothekarin. “Kein Problem”, sagte ich zu meiner Begleiterin, “wir schenken die Blumen der Schulklasse, die ist sicher glücklich darüber und stellt sie in ihr Klassenzimmer.” Die Schulklasse überreichte mir zum Dank für die Lesung einen kleinen Blumenstrauß. Er sah genauso aus wie die beiden anderen identischen Sträuße.
“Oh, wie schön!”, rief ich und verließ die Bibliothek resigniert mit drei gleichen Blumensträußen.
“Vielleicht möchten Sie… für zu Hause…?”, fragte ich meine Begleiterin. “Gern”, sagte sie, “aber leider muss ich gerade heute 12 Stunden Bibliotheks-Dienst machen.” Neidvoll sah ich sie an. So eine schöne Ausrede war mir noch nie eingefallen. Am nächsten Tag erschien ich mit drei Blumensträußen unter dem Arm zur ersten Lesung. Diese Schulklasse hatte keine Chance.
“Oh, Blumen!”, riefen die Lehrerinnen alle im Chor. “Wir wussten, dass Sie Blumen mögen! Wir haben auch welche für Ihre Sammlung!” Und sie gaben mir stolz einen Strauß, der um keinen Millimeter von seinen drei Vorgängern abwich. “Oh, wie schön!”, sagte ich lahm. Es war sehr schwierig, alle Blumen bis zur nächsten Bibliothek zu transportieren. Dort wollte ich die Blumen im Hinterzimmer vergessen, doch die Bibliothekarin trug sie mir nach und arrangierte sie auf dem Tisch. Ich quetschte mein Buch dazuwischen, um zu lesen.
Nach der Lesung trat ein kleines Mädchen vor. “Wir haben zum Dank ein kleines Geschenk für Sie -”, begann sie. “Oh, wie schön”, flüsterte ich. “Blumen?”
Am Bahnhof packte ich alle Blumen in ein Paket und adressierte es an die Großmutter meiner Freundin. Danach stieg ich in einen Zug, um in einer anderen Stadt zu lesen.
Man schenkte mir Blumen dort. Viele Blumen. Ich packte Pakete. Eines der Kinder schenkte mir zur Abwechslung eine blaue Plastikmurmel aus Taiwan. Ich packte ein Paket. Ich ergatterte eine selbstgebundene tausendjährige Schulchronik in altdeutscher Schrift, ein Buch von einem Lokalschriftsteller, der im Eigenverlag Gedichte über Eichen veröffentlichte, und einen Diddl-Kalender. Packte weitere Pakete.
Als ich erschöpft nach Hause kam, erwartete mich ein Paket. Vielleicht von einem Leser, der mir einen handgestrickten Klorollenschoner schickte? Nein. Das Paket war von der Großmutter meiner Freundin. Es enthielt alle Blumen (inzwischen recht lädiert) und einen Drohbrief. Darin schrieb die Großmutter, wenn ich ihr noch einmal ein Paket schickte, würde sie mich anzeigen. Deprimiert packte ich Blumen, Plastikmurmel, Diddl-Kalender und Gedichtband wieder aus.
Ich komme, liebe Kollegen. Ich komme zu Eurer nächsten Lesung. Ich werde mich mit einem strahlenden Lächeln bedanken und Euch ein kleines Geschenk überreichen. Ich bin sozusagen schon auf dem Weg. Im Gepäck nicht nur Blumen.