Leute machen Kleider

Sie kennen das Problem mit der Waschmaschine. Man tut etwas hinein, und es kommt etwas ganz anderes heraus. Früher pflegte meine Mutter selbst gestrickte Pullover von eifrigen Nachbarinnen geschenkt zu bekommen, die sie alle heiß wusch. Wir benützten sie hinterher als Eierwärmer. Zu Beginn des Studentenlebens kaufte ich mir einen Stapel neuer weißer Unterwäsche, und meine Freundin tat sie mit einem kakifarbenen Hemd in die Waschmaschine, was den Unterhosen einen dezenten Gelbton verlieh … Ich hingegen schaffte es, in drei Jahren 267 Socken zum spurlosen Verschwinden zu bringen. Im Flur spannte ich eine Schnur, an der ich die hinterbliebenen Socken aufhängte: Die Single-Socken-Hotline „www.owe.de“ – in der Hoffnung, nach und nach würden die Partner der Socken auftauchen. Das Schild hängt noch heute dort. Die 267 einzelnen Socken auch. Dann übernahm eine andere Freundin das Wäsche-Management. Sie ordnete alle Kleider leidenschaftlich nach Farbe, Größe, Form und ich glaube auch nach Blutgruppe, und abgesehen von den gelegentlichen Anfragen vorbeikommender Touristen, ob sie unseren Ton-in-Ton aufeinander abgestimmten Wäscheständer photographieren dürften, geschah eine Weile nichts. Bis ich aufs Land zog.
Zu dieser Zeit beschloss meine Freundin, auf Waschnüsse umzusteigen. Mein Mann, der in der Stadt arbeitet, wohnt von Montag bis Freitag auch in der alten WG, und er entwickelte das komplizierte Hobby, jedesmal heimlich Waschpulver in die Maschine zu kippen. Die Waschnüsse waren hinterher viel sauberer als vorher. Er nimmt meine Wäsche jedes Wochenende mit, weil wir auf dem Land keine Maschine haben, und eines Tages zog ich meinen liebsten Wollpullover an und stellte fest, dass er keine Löcher mehr hatte. Sie waren einfach zu-geschrumpft. Die Ärmel gingen mir nur noch bis zu den Ellbogen. In der nächsten Woche fand ich im Wäschekorb drei neue Dreiviertelhemden und einen Minirock, die ich alle noch nie gesehen hatte. Ihre Farbe und die Knöpfe kamen mir jedoch vage bekannt vor.
„Und was für hübsche Waschlappen!“, rief ich ein paar Tage später. „Waschlappen?“, fragte mein Mann nachdenklich. „Ich hatte eigentlich nur Handtücher in die Wäsche getan … aber was trägst du da eigentlich für ein interessantes bauchfreies Mieder? Das ist ja ziemlich gewagt!“ „Ach, das ist die Wollweste, die du gewaschen hast“, antwortete ich.
Nachdem er am Montag in die Stadt zurück gefahren war, grübelte ich lange. Es war kalt, und ich fror in meinen knappen Sachen. Schließlich füllte ich die Badewanne mit heißem Wasser und stieg hinein. Eine Stunde später war ich viel kleiner als vorher. Alle meine Sachen passten mir wieder. Leider kam ich jetzt nicht mehr an die oberen Regale im Haus. Nunja, ich stellte eine Leiter an die Hauswand und setzte den Wasserkocher in Gang … „Was ist denn mit dem Haus passiert?“, fragte mein Mann am Freitag. „Ich stoße plötzlich mit dem Kopf an der Decke an!“ „Nicht mehr lange“, sagte ich, lächelte hold und hob den Wasserkocher. Kommen Sie uns ruhig mal besuchen. Wir haben uns jetzt einen größeren Wasserkocher angeschafft. Er steht gleich hinter der Eingangstür.