Ffpur der Ffteine

Wenn man im März nach Griechenland fährt, muss man wissen, dass die Saison noch nicht begonnen hat. Zunächst stellen wir fest, dass die Athener Metro nicht fährt. “Is off season”, sagen die Athener. Ach, antworten wir, wir wollten sowieso mit dem Schiff nach Milos fahren. Die Metro durchs Mittelmeer ist innen immer so nass.
Auf Milos säumen Terrassen voll gelber und violetter Blüten die steilen Berge. Die Einwohner schütteln bedauernd die Köpfe: Im Sommer ist es viel schöner, erklären sie uns, so typisch griechisch trocken und karg, edle Einfalt, stille Größe … diese hässlichen bunten Off-season-Blumen hält ja kein Mensch aus. Die Zimmer sind auch noch off season. Wir finden schließlich doch eines: das Zimmer mit der schönsten aller denkbaren Terrassen, direkt über der Bucht.
Es ist allerdings noch nicht reif, und daher recht übersichtlich. Wenn wir uns beide darin aufhalten wollen, muss einer von uns unters Bett oder in den Kühlschrank ausweichen, und beim Duschen muss man einen Arm aus dem Fenster hängen. Dafür leitet der unisolierte Duschkopf den Strom beim Warmduschen direkt in die Finger; ein durchaus prickelndes Erlebnis. Am Morgen versuchen wir, auf der schönsten aller denkbaren Terrassen zu frühstücken. Das Wetter ist jedoch, man ahnt es schon, noch off season: Ein kalter Wind fegt uns den Honig in langen Fäden um die Ohren. Wir befestigen uns gegenseitig mit Wäscheklammern an den Stühlen, um nicht wegzufliegen. Ab und zu kommt ein Stück Müll vorbeigesaust, denn die Tonnen auf der Insel quellen über. Der Müll wird in Griechenland an Ostern abgeholt. Einmal im Jahr. Zu vorchristlichen Zeiten muss die Müllabfuhr jedoch in einen mehrere Jahrtausende dauernden Streik getreten sein, denn der Müll von damals liegt immer noch herum: kaputte Städte, kaputte Mauern, kaputte Tonvasen, kaputte Messerklingen aus Obsidian. Man munkelt, in Athen hätten sie eine ganze kaputte Akropolis.
“Oh!”, ruft mein Mann und beginnt, eifrig zu sammeln. “Sooo viele alte Steine! Kriegen wir diesen kleinen Felsbrocken noch in den Rucksack? Und diese Marmorsäule? Und wo ist eigentlich die Venus von Milos?”
“Die hat schon jemand gesammelt”, sage ich, “die steht im Louvre.”
Auf Sifnos sammelt mein Mann unermüdlich weiter. Als wir auf das Schiff zurück nach Athen steigen, sieht Sifnos viel kleiner aus. Zum Glück kontrolliert niemand unser Gepäck, in dem sich die fehlenden Teile der Insel befinden. Am Flughafen verstauen wir die Steine unauffällig in unseren Taschen. Auch in die Backentaschen.
“Ffteine?”, fragen wir unschuldig. “Amtike Ffteine? Wir habem keime Ffteine geffehem.”
Irgendwie hat wohl der Rest von Sifnos den Wellen nicht mehr standgehalten. Denn im Flugzeug sagt jemand zu uns: “Ich wollte eigentlich gestern noch nach Sifnos. Aber denken sie sich, die Insel ist weg!”
Wir zucken wir die Schultern. “Ifft wahrffeinliff noch off feaffon”, sagt mein Mann.