Hochzeitsunfall in Türkis

Vor kurzem fiel meinem Mann und mir auf, dass wir gar nicht verheiratet sind. Wir beschlossen, das zu ändern. Die Standesbeamtin empfing uns mit feierlichem Gesicht. Welche Musik sollen wir an dem großen Tag spielen?, fragte sie. Musik?, fragten wir. Und die Ringe müssen sie tauschen. Wieso? sagte ich. Mein Ring passt mir viel besser als seiner. Und wieviele Leute kommen?, fragte sie hoffnungsfroh. Hundert? Nur unsere Eltern und Geschwister, sagten wir. Aber ich lese ein schönes Gedicht vor, sagte sie. So mit Herzschmerz und Eichenblättern. Um Gottes Willen, sagten wir. Bloß kein Gedicht. Da fing die Standesbeamtin leise an, zu weinen. Na gut, sagten wir, wir bringen Ihnen eins mit.
Zu Hause durchforsteten wir sämtliche Tucholsky- und Ringelnatz-Bände. Deren Ehe-Gedichte waren alle so gemein, dass die Standesbeamtin aus dem Fenster gesprungen wäre. Also schrieb ich eins und tat so, als wäre es von Kästner. Danach begannen wir, das Haus Eltern-fest zu machen. Ich putzte jede Fliese im Bad. Mein Mann mähte alles Gras, das größer war als er. Das WAR alles Gras. Wir wischten Staub in den Marmeladengläsern. Wir schickten die Spinnen zum Friseur und steckten die Katze in die Waschmaschine. Drei Tage hatten wir rund um die Uhr zu tun. Dann ging die Uhr kaputt. Wir kauften Grillfleisch, stellten sehr viel Nachtische her, deckten den Tisch im Garten – und begannen, zu warten und zu grillen. Das Wetter war schön. Wir warteten und grillten. Unsere Eltern riefen aus ihren Autos an: Es würde etwas später. Wir warteten und grillten. Sehr viel später kamen zwei Dinge: Die ersten Eltern und der Regen. Also aßen wir drinnen nasses, verkohltes Grillfleisch. Als das letzte Elternauto gegen Mitternacht eintraf, waren alle zu müde, um Nachtisch zu essen.
Am nächsten Morgen pflückte ich in Gummistiefeln im Garten einen Brautstrauß, damit sich die Standesbeamtin freute. Leider war es schwer, ihren Worten zu folgen, denn hinter ihr hing ein riesiges modernes Bild, das sie wahrscheinlich selbst gemalt hatte. Ich gab ihm den Namen “Bootsunfall in Türkis” und sagte zerstreut an beliebigen Stellen “Ja”.
Dann sollten wir irgendetwas unterzeichnen. “Sie müssen mit SEINEM Namen unterschreiben”, sagte die Standesbeamtin. Verwundert unterschrieb ich mit “Philipp” und setzte mich wieder – auf den Brautstrauß. Beim Abschied überreichte die Standesbeamtin uns ein Kochbuch: Ein Geschenk der Stadt Wolgast. “Warum”, flüsterte sie, “tragen sie eigentlich Gummistiefel?” Ich schlug das Kochbuch auf. Herstellung und Vertrieb, stand auf der ersten Seite, Volker Gondrom, Bindlach.
Den Rest des Tages verbrachten wir damit, unsere Eltern über Usedom zu scheuchen und zur Erheiterung verschiedener Dorfbewohner die feinen Kleider im Auto erst aus- und abends wieder anzuziehen. Abends stolperten wir erschöpft über den unangetasteten Nachtisch, zwanzig geschenkte Weinflaschen und 300 Postkarten. Seitdem leben wir von Nachtisch und Wein. Ab und zu essen wir eine Postkarte.