Kinder, Kinder, was´n Theater

Theaterspielen ist schön und entspannend.
Spontane Änderungen des Ablaufs machen das ganze erst interessant, so zum Beispiel der umkippende Kerzenständer in meiner Schulzeit, der die Kulissen ungeplant dramatisch in Flammen aufgehen ließ.
Oder die Tatsache, dass ich in Indien zwar Stücke schrieb, aber nicht verstand, was die Darsteller sagten, weil sie das auf Tamil taten. Einmal musste ich kurz vor einer Vorstellung das Land verlassen, um mein Visum zu erneuern. Sie ließen mich nicht rechtzeitig zur Premiere wieder hinein, und mein indischer Mitstreiter versuchte noch während der Aufführung, meinen Notizen zu entnehmen, worum es in dem Stück überhaupt ging. Ich glaube, die indische Regierung hat einfach versucht, die Aufführung zu verhindern … Sehr vernünftig.
Inzwischen spielen wir experimentelles Theater an der Greifswalder Montessorischule.
Letztes Jahr gab es ein Stück, bei dem das Publikum nach jeder Szene über den Fortgang entscheiden durfte, ähnlich diesen „dann lesen Sie weiter auf Seite sowieso“-Büchern. Wir studierten über 70 Szenen ein … und das blöde Publikum entschied sich bei allen Aufführungen für die gleichen. Das Publikum ist sowieso lästig. Vorletztes Jahr hatten wir ein Stück, bei dem pro Aufführung vier Zuschauer ermordet wurden … hoppla …
Dieses Jahr gab es dafür ein Musical. Das ist definitionsgemäß ein Stück mit Musik, da wir aber durch die Musikproben nie Zeit für anderes hatten, hatten wir am Ende Musik ohne ein Stück. Also schnell alles an einem Wochenende nachholen … schade, dass eine Hauptdarstellerin Segelwettkampf, eine Rollschuhtanzwettbewerb und eine ein Klavierkonzert hatte. Ein anderer Schauspieler setzte sich in die Ukraine ab und tauchte, nachdem er ersetzt worden war, zur Generalprobe wieder auf. Woraufhin das ihn ersetzende Kind während der Premiere einen Nervenzusammenbruch bekam und nun auch seine eigene Rolle nicht mehr spielen wollte.
Im letzten Moment fiel uns auf, dass wir eigentlich keine Kostüme besaßen. Ich bastelte also rasch acht Pflanzen und ein vierarmiges Monster … Vorhang hatten wir ebenfalls keinen. Kein Problem, man bestellt einfach zwanzig Meter schwarzen Stoff und macht sich ans Nähen. Der Stoff schlängelte sich von der Nähmaschine aus durch Wohnzimmer, Küche und Flur bis auf die Straße, wo sich mehrere Autos darin verhedderten, aber die nähte ich einfach ein. Beim Auf-und Zuziehen hakte es etwas; muss an den Autos gelegen haben.
Während einer Vorstellung war der Sound-Mensch nicht da, na ja, schaltete ich eben auch noch alle Head-Sets und drei CDs – natürlich immer mit der kleinen Haselmaus im Tragegestell. Dumm nur, dass auch das Murmelkind der Babysitterin entkam und dringend auf meinen Schoßwollte, um beim Hebelschalten zu helfen.
Vor der nächsten Aufführung zerstörte ein aufgeregter Schauspieler die Fernsteuerung des Rollos, ohne die die Beleuchtung nicht funktioniert. Beim Versuch, das Rollo per Hand hinunterzuziehen, stürzte eine Lehrerin in die Tiefe, das war allerdings nicht so schlimm, die hatte sowieso einen befristeten Vertrag.
Schließlich klemmte der Dirigent und Komponist ein großes Stück schwarzen Stoff vor das Fenster, ich glaube, das war sein Anzug, denn er dirigierte an diesem Abend in Unterwäsche.
Dann sollte das Musical im richtigen Theater aufgeführt werden. Dazu rief man mich und die kleine Hasemaus „mal eben kurz“ zur Lichtprobe. Die bestand darin, dass eine weiße Fläche von hinten bunt angeleuchtet wurde. Es dauerte nur schlappe acht Stunden, die richtige Farbschattierung hinzubekommen.
Bei der Aufführung stellten wir fest, dass der Orchestergraben zu niedrig war und der Dirigent einen Meter darüber hinausragte. Wir erwogen, den Dirigenten zu kürzen, stellten dann aber doch den Graben niedriger. An diesem Tag bekam ich eine e-mail vom Verlag: Läuft das Musical jetzt schön ohne dich? Nein, ich stand (mit Haselmaus) hinter der Bühne und soufflierte verzweifelt Dinge, auf die keiner hörte.
Beim Kneipentheater der Erwachsenen spielte letztes Jahr eine uneingeladene schwarze Katze mit, bei der zweiten Vorstellung fiel – in einer dunklen Scheune – der Strom aus. Und eine Zuschauerin rief die ganze Zeit „Jonny, sitz doch mal still!“, was den Darsteller Jonny etwas verunsicherte. Später stellten wir fest, dass ihr zweijähriger Sohn genauso hieß.
Bei der dritten Aufführung merkte ich, dass ich in der Pause meinen Rock auf der falschen Seite der
Kneipe vergessen hatte. Also spielte ich nur in schwarzer Strumpfhose, was die älteren Herren im Publikum sehr empörte. Dafür wirkten die verkleideten Polizisten ziemlich echt – als sie vor der Kneipentür in der Fußgängerzone übten, sprangen sämtliche Radfahrer von ihren Rädern und schoben pflichtbewusst.
Kommen Sie doch mal zu einer Aufführung. Vielleicht vergesse ich ja nächstes Mal die Strumpfhose.